2018 D’Alembert Award für Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Jens Wittenburg

Professor Jens Wittenburg
Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Jens Wittenburg

Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Jens Wittenburg, Emeritus am Institut für Technische Mechanik des KIT, erhält den D’Alembert Award der American Society of Mechanical Engineers (ASME). Damit werden sein wissenschaftliches Lebenswerk auf dem Gebiet der Dynamik der Mehrkörpersysteme (Multibody Systems) sowie seine herausragenden Beiträge zu Forschung und Ausbildung von Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Mehrkörpersysteme gewürdigt. Die feierliche Preisverleihung wird auf der “14th ASME International Conference on Multibody Systems, Nonlinear Dynamics, and Control” im Rahmen der “ASME 2018 International Design Engineering Technical Conferences and Computers & Information in Engineering Conference” in Quebec City (Canada) vom 26. bis  28. August stattfinden.

 

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Multibody Systems

Mehrkörpersysteme sind Systeme von vielen gelenkig miteinander verbundenen Körpern mit großen Bewegungen in den Gelenken. Beispiele: Fahrzeuge, Raumfahrzeuge, Roboter, Maschinenmechanismen aller Art, Prothesen, Insekten, der menschliche Körper (z.B. als Fahrzeuginsasse während eines Verkehrsunfalls oder beim Hochsprung). Die Simulation der Bewegungen derartiger Systeme unter dem Einfluss gegebener Kräfte erfordert die Formulierung nichtlinearer Bewegungsgleichungen. Die Einführung leistungsfähiger Computer ermöglichte die automatisierte Generierung dieser Gleichungen. Methoden der klassischen Mechanik hätten für jedes einzelne System zu Gleichungen mit einer sehr großen Anzahl mathematischer Ausdrücke geführt.

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Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Jens Wittenburg

 

Von 1985 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 war Professor Wittenburg Leiter des Instituts für Technische Mechanik an der Fakultät Maschinenbau der Universität Karlsruhe.

Von Professor Wittenburg stammt die Stahlskulptur „Triade“ vor dem Audimax auf dem Campus Süd des KIT, die im Juli 2006 vom Rektor Prof. Horst Hippler bei einer Einweihungsfeier enthüllt wurde. Der Name der komplexen Stahlskulptur „Triade“ verweist auf die drei Formen, die sich in dem  Kunstwerk finden. Drei gleichartige, aus Kreisrohren gefertigte, quadratische Rahmen sind so miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig umgeben. Die Rahmen berühren einander in jeweils vier Punkten. Dadurch entsteht ein unbeweglicher Körper, der nur in einer bestimmten Stellung möglich ist. Die Skulptur steht auf drei Punkten, die ein gleichseitiges Dreieck bilden. Hinter der Bezeichnung Triade verbirgt sich aber auch die kreative Verbindung der drei Bereiche Kunst, Mathematik und Technik. An den Berührungspunkten der Rahmen passt nicht einmal ein Blatt Papier zwischen die Rohre. Mit einer mathematischen Gleichung hat Wittenburg das dafür erforderliche Verhältnis zwischen Länge der Rahmenseiten und Durchmesser der Rohre errechnet: „Zu kurze Rohre lassen sich bei gegebenem Durchmesser nicht zusammenfügen. Sind die Rohre aber zu lang, können sie sich verdrehen.“ Insgesamt wiegt das 4,5 Meter hohe Kunstwerk mehr als zwei Tonnen. Die komplette Pressemeldung von 2006 finden Sie hier

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Prof. Wittenburg und Multibody Systems


Im Jahr 1965: Die NASA musste Bewegungen eines Satelliten mit vier stabförmigen Antennen mit insgesamt 17 Körpern und 16 Kugelgelenken numerisch simulieren. Der Amerikaner R. E. Roberson und Wittenburg, beide damals an der Univ. of California, Los Angeles, lösten ein viel allgemeineres Problem. Sie betrachteten baumstrukturierte Systeme mit beliebig vielen Körpern und Kugelgelenken. Die Definition eines Parameters zur Kennzeichnung der Kopplungsstruktur führte zu der Entdeckung, dass nicht die Körper selbst, sondern aus ihnen gebildete sog. erweiterte Körper die eigentlich wesentlichen Körper sind. Mit den Parametern dieser Körper lassen sich Bewegungsgleichungen von der Länge einer einzigen Zeile schreiben. Diese Gleichungen sind nicht nur für numerische Rechnungen geeignet (sie lösten das Problem der NASA).
Roberson und Wittenburg lieferten auch neue Ergebnisse der sog. Analytischen Mechanik. Das zeigte Wittenburg in seiner Doktorarbeit, die 1966 an der Lomonossow-Univ. in Moskau entstand, und in einer Reihe späterer Veröffentlichungen. 1973 wurden in Zusammenarbeit mit L. Lilov (Sofia) die Beschränkung auf Baumstrukturen und die Beschränkung auf Kugelgelenke fallen gelassen. Damit war die Anwendung auf beliebige technische Systeme möglich.
Für Daimler Benz schrieb Wittenburg 1974 ein Programmsystem, mit dem mehr als 15 Jahre lang Bewegungen des menschlichen Körpers bei Verkehrsunfällen simuliert wurden.
In Vorträgen in mehr als 25 Ländern in englischer, französischer oder russischer Sprache machte Wittenburg das neue Fachgebiet Multibody Dynamics bekannt.
Sein 1977 geschriebenes Buch „Dynamics of Systems of Rigid Bodies“ war viele Jahre lang das einzige Buch zum Thema. In vielen Ländern entstanden innerhalb der Ingenieur-Gesellschaften Sektionen Multibody Dynamics.
Doktoranden von Wittenburg (U. Wolz, B. Weber) entwickelten Programmsysteme, die die Grundlage allgemeinerer kommerzieller Systeme sind, und die heute von vielen Firmen und Hochschulinstituten verwendet werden.

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